Die Arbeit besitzt in unserer Gesellschaft einen unglaublich hohen Stellenwert. Sie steht für Unabhängigkeit, Verantwortung und Freiheit. Mit Arbeit ist man etwas. Mit Arbeit steuert man etwas bei, das dem Wohlergehen anderer Menschen dient. Wer keine Arbeit hat, weiß nichts mit sich anzufangen, nutzt andere Menschen aus, muss zur Arbeit erzogen werden. Niemand kann sich ihrem Einfluss erwehren, denn niemand kann es sich leisten in Armut zu leben.
Arbeit steht aber nicht nur für unser physisches Wohlergehen. Sie ist identitätsstiftend. Wenn wir versuchen, unseren Eltern nachzueifern, dann übernehmen wir ihre Fähigkeiten, ihre Äußerungen, ihren Beruf. Und sie sind stolz auf uns, weil wir ihr Leben weiterführen. Arbeit ist ein Band zwischen den Generationen.
Arbeit schafft aber auch ein Gefühl von Gebrauchtwerden. Man hat etwas zu tun, man weiß etwas mit sich anzufangen. Wer zu viel über sich selbst nachdenkt, der hat noch nie richtig gearbeitet. Alle Probleme lassen sich mit Arbeit lösen, denn Arbeit ist dazu da, unser Leben sinnvoll zu machen, es mit Spielzeug zu befüllen, unserem Nachwuchs das zu bieten, was wir selbst nie hatten.
Wen wundert es also, dass alles im Leben auf Arbeit ausgerichtet ist. Wenn wir im Kindergarten Sterne malen und die Erzieher davon sprechen, dass man Astronaut oder Wissenschaftler wird, als könne man sich nur dann für den Weltraum interessieren. Oder wenn man Spaß daran hat, Mathematikaufgaben zu lösen, und gleich von den Eltern darauf angesprochen wird, dass man doch eine Karriere als Bankier oder Fußballmanager in Betracht ziehen sollte.
Niemand hat mir gesagt, dass die Schule dazu da ist, mir etwas beizubringen. Ich dachte immer, dass sie dazu da wäre, dass ich später einen Beruf lerne, der mir Geld bringt. Ausbildungen sind lächerlich. Arbeitsjahre sind das, was zählt. So trieft es aus allen Spalten der verschiedensten Unternehmen. Man ist ein Nichts, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass man unglaubliches Leid ertragen hat.
Und während des Studiums wird man noch gefragt, was man denn damit anfangen kann, dass man Literaturwissenschaften oder Sprachwissenschaften studiert. Und damit meinen sie nicht, wie es anderen Menschen hilft oder wie man diese Fähigkeiten dazu nutzen kann, das Leben in irgendeiner Form erträglich zu machen, sondern sie fragen, weil sie sich die Sicherheit einer gut bezahlten Arbeit ersehnen. Weil sie davon ausgehen, dass das Geld ihnen die Möglichkeit gibt, sicher zu leben.
Und unsere Gesellschaft wird zwar immer schneller und schneller, aber wir denken, dass Arbeit immer genau das sein wird, wie wir es gerade erleben. Wir denken, wir müssten einen Teil unseres Lebens mit Tätigkeiten zubringen, die wir für andere tun müssen, weil wir sonst nicht an den schönen Erlebnissen teilhaben können, die uns die Gesellschaft bietet. Wir sind so sehr dieser Vorstellung aufgesessen, dass wir vergessen, dass Arbeit grundsätzlich nur dazu da ist, unsere Bedürfnisse zu erfüllen. Sie war in ihrer bisherigen Ausprägung die beste Möglichkeit dafür.
Doch mit jeder Erfindung, jeder Optimierung, jeder Automatisierung machen wir unsere Arbeit ein Stück weit überflüssiger. Und das ist auch gut so, denn niemand sollte in seinem Leben dazu gezwungen werden, etwas tun zu müssen. Natürlich nur unter der Voraussetzung, dass er sonst auch niemandem schadet. Arbeit wird dann zu einer Tätigkeit, die wir wirklich für uns selbst tun. Wir können lernen und forschen oder nichts tun oder doch lesen oder hin und wieder reisen. Es ist uns überlassen, wie wir unser Leben gestalten.
Doch dafür ist heutzutage noch kein Platz. Heutzutage ist das Nachdenken über Arbeit wichtiger als das Nachdenken darüber, was man für ein Mensch sein möchte. Und all diejenigen, die das gut finden und für unvermeidbar halten, sollten sich fragen, ob sie sich das wirklich wünschen und ob es wirklich so unvermeidbar ist.
Es geht hier nicht um Illusionen, sondern es geht um unsere Zukunft. Jeder Wirtschaftszweig wird irgendwann einmal mit Robotern konfrontiert werden, die die bisher vom Menschen geleistete Arbeit ersetzen werden. Gleichzeitig steigt unser Lebensstandard. Jeder, der heute in den Supermarkt geht, um sich Bananen zu kaufen, lebt so gut wie ein König noch vor ein paar Hundert Jahren. Wahrscheinlich sehr viel besser. Das, was uns allerdings meiner Ansicht nach heutzutage zurückhält, sind unsere eigenen Ängste. Ängste, die dazu führen, dass wir Arbeit in ihrer jetzigen Form überbewerten, weil wir eben Angst davor haben, etwas mit unserem Leben ohne sie anzufangen.
Also: Was kommt nach der Arbeit?
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