Donnerstag, 18. September 2014

Grenzenlos

Habt ihr euch schon einmal vorgestellt, in einer größeren Wohnung zu leben? Oder in einem größeren Haus? Habt ihr darüber nachgedacht, dass es eigentlich ganz cool wäre, wenn die Eisenbahn nicht jeden Tag am Balkon vorbeifahren würde, oder dass der Kinderspielplatz ruhig noch einen Block hätte weiter hinten sein können? Nein, dann gehört ihr zu den glücklichen Menschen, die ein Zuhause gefunden haben, mit dem sie möglicherweise zufrieden sind. Aber was bedeutet das überhaupt?

In unserem Alltag sind wir meist sehr stark darauf konzentriert, Probleme und Bedürfnisse wahrzunehmen, die uns direkt berühren. Wenn wir Hunger haben, dann essen wir etwas. Wenn wir Schmerzen spüren, dann versuchen wir sie loszuwerden. Meist vergessen wir aber, dass wir keine allumfassende Wahrnehmung besitzen und wir deshalb auch nicht immer alles erkennen können, was uns vielleicht stört. Diese unbewussten Störungen sind es, die uns mehr prägen, als uns das vielleicht lieb ist, weil unser Bewusstsein sie nicht in die Finger bekommt und wir deshalb in ihrer Gegenwart automatisch handeln, anstatt darüber nachzudenken.

Schließen wir die Fenster, wenn uns die Kinder auf dem Spielplatz stören, dann überlegen wir vielleicht nicht, wie wir das Problem in Zukunft vermeiden wollen, sondern wir nehmen es hin, weil unser Bewusstsein dieses Erlebnis nicht als etwas Dramatisches ansieht. Wenn wir allerdings darüber nachdenken, ob uns die Wohnung gefällt, bleibt dieses Gefühl von Unruhe erhalten und wir können nicht ganz einschätzen, woher unser Unbehagen kommt, weil unsere Wahrnehmung den Lärm gar nicht als etwas Problematisches an uns herangetragen hat.

Wir bekommen ein Gefühl von unserer Wohnung, das uns in unserem Inneren verfolgt. Manchmal wird es uns schleierhaft bewusst, wenn wir nach Hause kommen und uns trotzdem nicht beruhigen können. Manchmal werden wir von anderen darauf angesprochen, weil wir selbst die Unruhe bereits durch unsere tägliche Konfrontation ausgeblendet haben. Doch das eigentliche Problem ist nicht, dass uns diese Störfaktoren nicht sofort bewusst werden, sondern dass sie über die Zeit hinweg zu einem Bestandteil unserer Persönlichkeit werden. Wir passen uns an. Wir leben mit diesen Problemen, weil sie uns nicht auffallen. Und irgendwann sind wir selbst diese Probleme.

Ich sehe Wohnungen als erweiterten Teil der Persönlichkeit. Und als Menschen sind wir anfällig gegenüber den Einflüssen unserer Umgebung. Wenn uns etwas an unserem Wohnort stört, werden wir es verändern oder es wird uns verändern. Daraus ergeben sich für mich beispielsweise auch Fragen wie diese: Wenn unsere Wohnungen größer sind, macht es uns etwas aus, längere Wege zurückzulegen? Wenn wir im Dachgeschoss wohnen und schräge Wände haben, beeinflusst das unsere Vorstellung von Ordnung und Ruhe?

Dadurch dass wir unsere Umgebung in den meisten Fällen nicht so gestalten können, wie wir es gern hätten, tragen wir meiner Ansicht nach immer einen Konflikt mit uns selbst aus. Und dieser Konflikt bestimmt letztendlich darüber, was wir für eine Person sein werden. Das Interessante daran ist aber: Dieser Konflikt muss uns nicht einmal bewusst sein. Er belastet möglicherweise unseren Alltag. Und wir bemerken ihn nur in diesen kleinen Gefühlsregungen, wenn wir wieder einmal das Fenster schließen, weil ein Zug vorbeifährt und wir vom Lärm betroffen sind.

1 Kommentar:

  1. Ich glaube, du siehst das ein wenig zu eng. Wir müssen immer irgendwo kompromisse eingehen. Wenn wir so perfektionistisch wären, hätten wir ja nur Probleme. Sicher soll man sich wohlfühlen in seiner Wohnung und im Job (zum Beispiel). Wir werden unsere Umgebung aber nie zu 100% nach unseren Wünschen gestalten können. Und wenn es uns doch für kurze Zeit gelingen sollte, finden wir schon was, das uns wieder stört. Von daher finde ich deinen Artikel doch etwas zu dramatisiert.

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.